„Prüfen, rufen, drücken“ hieß die Devise im Albertus-Magnus-Gymnasium in Dülken. Hunderte von Schülern lernten, wie eine Person nach einem Herzstillstand reanimiert werden kann. Dabei waren einige Unsicherheiten zu überwinden.

DÜLKEN | Wo eben noch lautes Stimmengemurmel herrschte und sich 29 Achtklässler einen Platz auf den Turnbänken in der Turnhalle vom Albertus-Magnus-Gymnasium gesucht haben, ist es mit einem Schlag still geworden. Alle Blicke sind auf Ulrike Stolze-Wichtrup gerichtet, die neben einer großen Leinwand steht. „Jeder sollte in der Lage sein, eine Reanimation durchzuführen, wenn jemand einen Herzstillstand erlitten hat“, sagt die Lehrerin, die den Schulsanitätsdienst des Dülkener Gymnasiums leitet. Und genau diese Reanimation steht für einen Tag lang im Mittelpunkt.

Das Gymnasium nimmt erstmalig an dem Projekt „Wiederbelebung an Schulen in NRW“ teil. Alle Schüler von der Stufe sieben bis hin zur EF beschäftigen sich 40 Minuten lang in Klassen- oder Kursgröße mit der Hilfe, die geleistet werden kann, wenn ein anderer Mensch einen Herzstillstand erleidet.

Dafür haben sich die beiden Turnhallen der Schule in einen Übungsraum verwandelt. „Es sind so viele Schüler, dass wir das Angebot parallel laufen lassen“, sagt Schulleiterin Ursula Deggerich. Ihr liegt es am Herzen, dass alle Schüler in Reanimation fit sind. Das sei eine Grundfertigkeit, mit der ein Leben gerettet werden könne, fügt sie an.

Wie wichtig Wiederbelebung ist, verdeutlicht Stolze-Wichtrup mit Zahlen. Jeden Tag erleiden 250 Menschen in Deutschland einen Herzstillstand. „In dreiviertel der Fälle sind eigene Angehörige betroffen, der Großvater, die Tante“, zählt sie einige Beispiel auf. Es sei toll, wenn man wisse, was man tun müsse. Die Überlebenswahrscheinlichkeit bei einem Herzstillstand nimmt mit jeder verstreichenden Minute ab. Reanimation nach zwei Minuten birgt eine 80-prozentige Überlebenschance. Nach acht Minuten, der Durchschnittszeit in der ein Rettungswagen vor Ort sein sollte, sind es nur noch 25 Prozent. Nach 13 Minuten fällt die Überlebenschance auf fünf Prozent.

„Prüfen, rufen, drücken“ heißt der Slogan, der an diesem Morgen zunächst per kurzer Filmsequenz die Runde bei den Schülern macht. Fällt jemand urplötzlich um, ist nämlich zuerst die Atmung zu prüfen. Wie der Kopf dafür überstreckt wird und die Überprüfung aussieht, verdeutlicht Stolze-Wichtrup. Sie weist darauf hin, dass die sogenannte Schnappatmung nicht als Atmung zu werten ist, sondern auch dann eine Wiederbelebung nötig ist.

Nach der Überprüfung gilt es die Notrufnummer 112 anzurufen. Danach startet die Reanimation, das Drücken. Was zunächst per Film gezeigt wird, wechselt von der Theorie in die Praxis. „Immer an die richtige Handhaltung denken“, erinnert Stolze-Wichtrup. Auf blauen Turnmatten liegen Übungstorsos. Doch bevor es losgeht, drückt die Lehrerin auf Startknopf des CD-Players „Staying Alive“ von den Bee Gees ertönt. Der Song hat 100 Beats pro Minute und ist damit der optimale Taktgeber für das Drücken.

Lia und Fyna knien an einem der Torsos nieder. Die beiden Achtklässlerinnen blicken unsicher. „Einfach beginnen“, sagt Schulrettungssanitäterin Sarah, die als Helfer zur Seite steht. Lia legt die Hände auf und beginnt mit der Druckmassage. 30 Mal drückt sie zu. „Die Tiefe stimmt. Hast du das Knacken gehört?“, fragt Sarah. Die Torsos geben nämlich ein Knacken von sich, wenn die Drucktiefe von fünf Zentimeter erreicht wird. Diese ist genauso wichtig wie ein harter Boden, auf dem eine zu rettende Person liegen sollte, damit der Druck, mit dem das Herz angeregt werden soll wieder zu schlagen, auch ankommt.

Am Nachbartorso sind Frederik, Emilian, Niklas und Luca im Einsatz. „Es ist wirklich wichtig, dass man Reanimation lernt. Wenn es wirklich einmal zu einem Notfall kommt, weiß man, wie man helfen kann“, sagt Frederik. Aus anfänglicher Unsicherheit wird Routine. Wie mit dem Defibrillator gearbeitet wird, der in der Schule nicht nur im Sanitätsraum, sondern auch in den Turnhallen zu finden ist, lernen die Schüler anhand eines Videos. Damit niemand das „Prüfen, rufen, drücken“ vergisst, wird zum Abschluss noch ein Scrapbook erstellt, das bequem in jede Handyhülle passt.

INFO

So arbeitet der Sanitätsdienst der Schule

Das Albertus-Magnus-Gymnasium hat seit 2004 einen Schulsanitätsdienst. Aktuell sind 66 Schulsanitäter im Einsatz. Sie besetzen in den Pausen den Schulsanitätsraum und gehen unter anderem bei Sportfesten und anderen schulischen Ereignissen in den Einsatz. Dienst wird als Schulsani AG geführt.

Quelle: Der Artikel ist am 18. September 2024 in der Rheinischen Post (Grenzland-Kurier) erschienen. Foto: Bianca Treffer

 

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